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Ein Bericht über die Menschenrechtsverletzungen seit Dezember 2013:
Kurzfassung vom Bericht
Der Bericht wurde von Lord Woolf, ehemaliger Lord Chief Justice of England and Wales; Sir Jeffrey Jowell, Emeritus Professor of Public Law des University College London und Director of the Bingham Centre for the Rule of Law; Sir Edward Garnier, ehemaliger Solicitor-General for England and Wales; und Sarah Palin, Barrister für Menschenrechte und Medienrecht, verfasst und kommt zu dem Ergebnis, dass die türkische Regierung seit Dezember 2013 systematisch Menschenrechtsverletzungen verübt hat, die eine Klage auf internationaler Ebene, höchst wahrscheinlich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, begründen würden.
Das hauptsächliche Ziel der Übergriffe waren Anhänger der Gülen-Bewegung, einem Netzwerk der Zivilgesellschaft aus Personen und religiösen, humanitären und Bildungsinstitutionen, die sich den Ansichten des islamischen Gelehrten Fethullah Gülen anschließen, der für interreligiösen Dialog, gemeinnützige Arbeit und universelle Bildung eintritt. Der neueste Katalysator der Regierungsoffensive gegen die Bewegung war im Dezember 2013 die erneute Entzündung der schwelenden öffentlichen Besorgnis über das Fehlverhalten der Regierung durch die Enthüllung eines Korruptionsskandals , in den Präsident Recep Tayyip Erdoğan (zu der Zeit Ministerpräsident), vier Kabinettsminister, Mitglieder ihrer Familien und mehrere prominente Geschäftsleute verwickelt waren. Die Regierung behauptete, dass eine Parallelstruktur von Gülen-Anhängern im türkischen Staat versuche, einen gerichtlichen Coup zu landen und forderte ihre Zerstörung.
Die darauf folgenden Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und anderer von der Türkischen Republik unterzeichneten Menschenrechtsabkommen seitens der Regierung lassen sich in drei wesentliche Kategorien einteilen: den Betroffenen der Untersuchung wird das Recht auf Freiheit, Sicherheit und ein faires Verfahren verweigert, nachdem von der Exekutivgewalt über die Justiz Gebrauch gemacht wird; die Meinungsfreiheit wird unterdrückt – insbesondere in den Medien; und die Anhänger der Gülen-Bewegung werden Säuberungsaktionen und Schikanen ausgesetzt und ihre Institutionen und Verbände blockiert.
i) Die Subversion des Rechtsstaatsprinzips und anschließende Verweigerung der Rechte auf Freiheit, Sicherheit und ein faires Verfahren
Seit dem Korruptionsskandal im Dezember 2013 hat die AKP-Regierung nie gesehene Schritte unternommen, um von der Exekutivgewalt über die Justiz-, Polizei- und Strafverfolgungsbehörden Gebrauch zu machen. Zu diesen Schritten gehört die Entlassung aller Mitarbeiter, die für den Obersten Rat der Richter und Staatsanwälte gearbeitet haben. Sie wurden durch Personal ersetzt, das der Justizminister ernannte – ein Vorgehen, dass vom Verfassungsgericht der Türkei als verfassungswidrig entschieden, aber nie rückgängig gemacht wurde – und die Einführung neuer Strafrichter des Friedens mit ausgedehnter Macht über strafrechtliche Untersuchungen.
Durch die Untergrabung der Unabhängigkeit der türkischen Justiz hat die AKP-Regierung die Verhaftung sich offen äußernder Medienpersönlichkeiten und Hunderter in der Antikorruptionsoperation involvierter Polizeibeamter ermöglicht. Diese Verhaftungen waren ein Verstoß gegen die türkische Verfassung und das Verbot von Folter, gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit und das Recht auf ein faires Verfahren, die jeweils in den Artikeln 3, 5 und 6 der EMRK festgeschrieben sind.
Zu den Beispielen der Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit diesen Verhaftungen gehören: unerträglich Bedingungen, Verweigerung von Anwaltskontakt, erzwungene Unterschrift von Dokumenten und das Versäumnis, direkt einem Richter vorgeführt zu werden, dem die verhafteten Polizeibeamten ausgesetzt waren; die Verhaftung des Chefs der Mediengruppe Samanyolu, Hidayet Karaça, aufgrund des unzulänglichen Verdachts, verschlüsselte Botschaften durch eine Episode eines fiktiven TV-Dramas ausgestrahlt zu haben; und die Weigerung von Staatsanwälten, einer gerichtlichen Anordnung zur Freilassung von Herrn Karaça und 63 Polizeibeamten auf Kaution Folge zu leisten.
ii) Die Verweigerung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung
Seit Dezember 2013 hat die Regierung zunehmend gegen das im Artikel 10 der EMRK verankerte Recht auf freie Meinungsäußerung verstoßen. Die staatlich geförderte Unterdrückung freier Berichterstattung und öffentlicher Debatte hat sowohl Einschränkungen der Pressefreiheit als auch Behinderungen der sozialen Medien mit sich gebracht.
Zu den Beispielen für das scharfe Vorgehen der AKP-Regierung gegen die Pressefreiheit gehören die Anklage gegen den Chefredakteur der Zaman wegen der Berichterstattung über eine Rede, die der Oppositionsführer vor dem Parlament gehalten hatte; die Verteilung einer Liste von Journalisten, die gefeuert werden sollten, an den Vorsitzenden der Koza İpek Holding, zu der die Zeitung Bugün gehört; die durch Präsident Erdoğan und Premierminister Davutoğlu persönlich erstattete Strafanzeige gegen den Redakteur von Today’s Zaman; die Deportation des Reporters Mahir Zeynalov wegen des „Postens von Tweets, die hochrangige Staatsbeamte kritisierten“; und die Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf andersdenkende Medieneinrichtungen.
Die Regierung hat auch das Internetgesetz geändert, damit die Telekommunikations- und Kommunikationsbehörde TIB Online-Inhalte blockieren kann, oft ohne Gerichtsbeschluss und mit nur vier Stunden Vorankündigung. Die TIB hat diese Machtposition genutzt, um Twitter zu blockieren. Die Maßnahme wurde vom türkischen Verfassungsgericht als „schwerwiegende Einmischung in die freie Meinungsäußerung“ entschieden. Das Verfassungsgericht hat danach die vierstündige Vorankündigungszeit als verfassungswidrig verworfen, woraufhin die AKP-Regierung eine „fast identische“ Änderung in das Internetgesetz einbrachte.
iii) Diskriminierung der Gülen-Bewegung
Die Erdoğan-Regierung hat die vermeintliche Existenz eines Parallelstaates, für den sie keinen Beweis erbracht hat, als Vorwand benutzt, um Personen und Unternehmen die mit der Gülen-Bewegung in Verbindung gebracht werden, aus öffentlichen Ämtern zu vertreiben, direkte Hassreden an sie zu wenden und sie zu enteignen und damit wiederholt gegen die EMRK verstoßen.
Bei den Säuberungsaktionen sind seit Dezember 2013 etwa 40.000 Polizeibeamte, Staatsbedienstete und Staatsanwälte unter dem Verdacht einer Verbindung zur Gülen-Bewegung aus ihrem Amt entfernt worden, was durch die Schaffung einer Parallelen Überwachungseinheit bei der Polizei für Terrorismusbekämpfung erleichtert wurde. Solch diskriminierende Maßnahmen verstoßen gegen das Recht auf Privatleben und das Verbot von Diskriminierung, die in den Artikeln 8 und 14 der EMRK garantiert sind.
Die AKP-Regierung hat auch versucht, die Anhänger der Gülen-Bewegung durch eine Kampagne von Hassreden zu diffamieren. President Erdoğan hat die Gülen-Anhänger als „Perverse“, „Verräter“, „heimtückische Viren und Parasiten“ und „Mitglieder einer Terrororganisation“ verunglimpft. Er hat behauptet, dass nur die „Hölle sie reinwaschen werde“ und Bürgermeister großer Städte aufgerufen, sie zu „vernichten“. Die weit verbreitete und systematische Natur dieser aggressiven Rhetorik legt nahe, dass es sich um Hassreden handelt, die unter die Definition des Artikels 17 der EMRK fallen und verboten sind.
Die AKP-Regierung hat schließlich auch in offensichtlich unberechtigter, unverhältnismäßiger und illegaler Weise das in Artikel 1 des Protokolls 1 der EMRK garantierte Recht auf Eigentum von Unternehmen und Verbänden eingeschränkt, die der Gülen-Bewegung angeschlossen sind. Zu den Beispielen hierfür gehören die Beschlagnahme der Bank Asya durch die Bankenregulierungs- und Überwachungsbehörde und die Maßnahmen, mit denen der Hilfsorganisation Kimse Yok Mu das Recht entzogen wurde, Spenden einzusammeln.
Methodik
Dieser Bericht ist von einer unabhängigen, selbstverwalteten Gruppe von Autoren mit Erfahrung in der Durchführung von Untersuchungen objektiv und unparteiisch erstellt worden. Die Autoren wurden von Rechtsanwälten der Journalists and Writers’ Foundation gebeten, eine unabhängige Schreibtischuntersuchung über die Maßnahmen der türkischen Regierung, ihrer Institutionen und Amtsträger gegen Anhänger der Gülen-Bewegung durchzuführen. Zum für diese Schreibtischprüfung verwendeten Material gehörten schriftliche Stellungnahmen von Zeugen und Opfern sowie die türkische Rechtsordnung, Gerichtsurteile und Zusammenfassungen von Zeugenaussagen.
Dieser Bericht deckt den Zeitraum von Dezember 2013 bis heute ab, doch, wo angebracht, sind auch frühere Ereignisse erwägt worden.
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