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Seit Jahrzehnten kämpfen Frauen überall auf der Welt für ihre Rechte, für Mit- und Selbstbestimmung und Gleichberechtigung. Letztes Jahr feierte Deutschland das 100 jährige Frauenwahlrecht. Was in unserer heutigen Gesellschaft als eine Selbstverständlichkeit gilt, wurde hart erkämpft. Wir verdanken es den tapferen Frauen, die vieles aufgeopfert haben, damit wir wählen und gewählt werden dürfen. Unter den vielen Heldinnen befindet sich auch Nezihe Muhiddin, die einen unermüdlichen Kampf leistete, um Frauen in der Türkei ein essentielles Recht ermöglichen: Das Wahlrecht.
Nezihe Muhiddin Tepedelengil wurde 1889 in Kandilli, Istanbul geboren. Sie war die Tochter von Muhiddin Bey, einem Staatsanwalt, und Zehra Hanım, der Enkelin von Ağa Hüseyin Pasha, dem ersten Chef des Generalstabs der osmanischen Armee. Ihre Familie war wohlhabend und sehr gut gebildet, weshalb sie das Privileg hatte, eine gute Ausbildung zu genießen. Nach dem sie die Grundschule absolviert hatte, stellten ihre Eltern – wie zu dieser Zeit üblich – PrivatlehrerInnen ein, um sie zu Hause zu unterrichten. So lernte sie Deutsch, Französisch, Persisch und Arabisch.
Geprägt wurde sie erheblich von ihrer Mutter und Cousine Nakiye. Sie lehrten ihr europäisches Denken und Literatur. Ihre Cousine war eine der Autorinnen der ersten osmanischen feministischen Zeitschrift “Hanımlara Mahsus Gazete”. Gemeinsam mit ihrer Mutter und Nakiye nahm sie an Versammlungen teil, auf denen Frauen über die feministische Ideen diskutierten. So wurde sie immer mehr mit feministischen Gedanken familiär und verinnerlichte diese.
Es ist wenig über ihr Leben vor der Revolution im Jahre 1908 bekannt. Muhiddin hatte ein sehr aktives Berufsleben. Sie arbeitete u.a. als Lehrerin für Naturwissenschaften, als Sekretärin des Osmanischen Türkischen Frauenvereins und als Direktorin eines Mädchengymnasiums. Während des Krieges leistete sie ebenfalls wichtige Arbeit, indem sie verwundete Soldaten pflegte. Außerdem schrieb sie Sonderberichte für das Bildungsministerium und leitete weitere viele inländischen und ausländischen Schulen.
Drei Monate vor der Gründung der Republik Türkei im Jahr 1923, gründete Nezihe Muhiddin und ihre Zeitgenossinnen die erste feministische politische Partei mit einem seiner Zeit vorausgehenden Parteiprogramm. Leider erteilte das Büro des Gouverneurs von Istanbul der Frauenpartei keine Erlaubnis, an den Wahlen teilzunehmen, obwohl sie alle Anforderungen erfüllt und ihren Antrag bereits vor Atatürks Republikanischer Volkspartei (CHP) eingereicht hatten. So mussten Muhiddin und ihre Freundinnen ihre Partei in eine Zivilvereinigung (türkische Frauenunion) verwandeln.
Je mehr sich Muhiddin und andere Frauen für ihre Rechte einsetzten und diese beanspruchten, desto mehr übte die Regierung Druck auf den Aktivismus aus. Dies hatte zufolge, dass 1927 eine Razzie in den Räumlichkeiten der Zivilvereinigung durchgeführt und angebliche Beweise für eine Korruption von Nezihe Muhiddin gefunden wurden. Für eine kurze Zeit wurde der Verein geschlossen. Ihren Posten als Geschäftsführerin musste Muhiddin aufgeben, da sie durch die anderen Frauen abgewählt wurde. Sie kämpfte zwei Jahre gegen diverse Anschuldigungen, bis sie 1929 für unschuldig erklärt wurde.
1930 trat Nezihe Muhiddin der Liberalen Republikanischen Partei bei und kandidierte als Bürgermeisterin; ohne Erfolg. Nachdem der letzte Versuch in der Politik fuß zu fassen und aktiv zu bleiben, scheiterte, zog sie sich aus dem politischen Leben zurück und widmete sich der Literatur und der Lehre. Sie verfasste 17 Romane und ca. 300 Geschichten.
1935 gab die Regierung Frauen das Wahlrecht, wobei Nezihe Muhiddins Verein für immer geschlossen wurde.