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Kurz vor ihrem 26. Geburtstag beendete Semra Ertan aus Protest gegen die zunehmende Ausländerfeindlichkeit in Deutschland auf offener Straße und auf sehr tragische Weise ihr Leben.
Geboren wurde Semra Ertan am 31. Mai 1956 in Mersin, Türkei. Ihre Eltern, Gani Bilir und Vehbiye Bilir, kamen als Arbeitsmigranten in den frühen 70er Jahren nach Deutschland. Kurze Zeit später zog Semra gemeinsam mit ihren sechs Schwestern nach. Angekommen in der neuen Heimat arbeitete Semra als technische Bauzeichnerin und Dolmetscherin. Sie entdeckte schon bald ihre Vorliebe für die Lyrik, weshalb sie auch als Schriftstellerin tätig war. Semra schrieb über 350 Gedichte, in denen sie die erfahrene Feindseligkeit, Ausgrenzung und den Hass niederschrieb. Viele ihrer Texte sind unveröffentlicht.
Die gesellschaftliche Stimmung in den 80er Jahren war in Deutschland äußerst ausländerfeindlich geprägt. Während der Ölpreiskrise 1981 stürzte Deutschland in die schwerste Rezession seit seiner Gründung. Dies hatte zur Folge, dass viele Menschen ihre Arbeitsplätze verloren. Durch die zunehmende Wohnungsknappheit und hohe Arbeitslosigkeit stieg die Anzahl der Deutschen, die der Meinung waren, dass die GastarbeiterInnen in die Heimat zurückkehren sollten, bis zu 68%. Ausländer wurden von der deutschen Gesellschaft immer mehr als Konkurrenz für die Wohn- und Arbeitsplätze wahrgenommen. Gleichzeitig stellten rechtsmotiviere Gewalttaten keine Seltenheit mehr dar.
Semra Ertan ertrug die Anfeindungen, Ablehnung und Ausgrenzung nicht mehr und entschied aus dem Leben zu treten. Am frühen Morgen des 24.05.1982 verbrannte sie sich im Hamburger Stadtteil St. Pauli öffentlich. Getrieben durch den Ausländerhass. Kurz bevor sie sich das Leben nimmt, rief sie beim NDR und ZDF an und las ihr Gedicht „Mein Name ist Ausländer“. Sie forderte, dass Ausländer nicht nur das Recht haben sollten, wie Menschen zu leben, sondern auch wie Menschen behandelt zu werden.
Semra Ertans Gedichte wurden später in türkischen Schulbüchern abgedruckt. Dagegen erinnert in Deutschland lange Zeit kaum etwas an das tragische Schicksal der jungen Frau.
Mein Name ist Ausländer.
Ich arbeite hier
Ich weiß wie ich arbeite
Die Deutschen wissen es auch
Meine Arbeit ist schwer
Meine Arbeit ist schmutzig
Das gefällt mir nicht, sage ich
„Wenn dir die Arbeit nicht gefällt,
geh in deine Heimat“ sagen sie
Meine Arbeit ist schwer
Meine Arbeit ist schmutzig
Mein Lohn ist niedrig
Auch ich zahle Steuern sage ich
Ich werde es immer wieder sagen,
Wenn ich immer wieder hören muss
„Suche dir eine andere Arbeit“
Aber die Schuld liegt nicht bei den Deutschen
Liegt nicht bei den Türken
Die Türkei braucht Devisen
Deutschland Arbeitskräfte
Die Türkei hat uns nach Europa geschickt
Wie Stiefkinder
Wie unbrauchbare Menschen
Aber dennoch braucht sie Devisen
Braucht sie Ruhe
Mein Land hat mich ins Ausland geschickt
Mein Name ist Ausländer
Semra Ertan, 1981