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Dorothea war gerade elf Jahre alt, als sie und ihre Familie in den berühmten Orient-Express steigen, der sie in die Türkei bringen sollte. Im Oktober 1935 kommen die Merzbachers in Ankara an. In ihrer neuen Heimat müssen sie nicht wie so viele andere jüdische Familien im Exil bei Null anfangen. Es ist klar, dass für den Lebensunterhalt der Familie zumindest vorerst gesorgt sein wird. Dorotheas Vater baute in Ankara eine Chemiefabrik auf und leitete diese später.
Die Merzbachers waren nicht die einzigen deutschen Flüchtlinge in der Türkei. Viele Familien, die vor den Nazis aus Deutschland geflohen sind, suchten Schutz und Zuflucht in der Türkei. 1940 wurde den Merzbachers -wie vielen anderen jüdischen Familien- die deutsche Reichsbürgerschaft aberkannt und das Vermögen, das noch auf deutschen Bankkonten lag, wurde beschlagnahmt.
Während des Zweiten Weltkriegs emigrierte eine große Gruppe deutscher politischer Flüchtlinge, die sich aus etwa 100 jüdischen und nichtjüdischen Flüchtlingen zusammensetzte, darunter Lehrer, Ärzte und Wissenschaftler, in die Türkei, wo sie oftmals ihren Berufen nachgehen konnten.
In Ankara bekam Dorothea Privatunterricht, zusammen mit den Kindern anderer Exilanten. In einer öffentlichen Mädchenschule in Ankara machte sich letztlich ihr Mittelschulexamen, das sie brauchte, um eine Ausbildung zu machen. Eigentlich wollte Dorothea Volksschullehrerin werden, doch als Migrantin in der Türkei durfte sie das nicht. Als einzige Möglichkeit begann sie einen zweijährigen Kurs an einer Modeschule und wollte als Hutmacherin arbeiten. Doch am Ende ihrer Ausbildung hieß es, dass auch das für sie nicht möglich sei. Also schneiderte sie privat für Bekannte und Freunde. Doch ihre berufliche Zukunft war lange Zeit ungewiss.
Die Begegnung mit ihrem zukünftigen Ehemann und Vater ihrer drei Kinder brachte dann eine ganz neue Wendung in ihr Leben: 1944 lernte Dorothea den Englischlehrer und Schotten Donald Brander kennen, der in Ankara am British Council, dem britischen Kulturinstitut arbeitete. Ein Jahr später heirateten die beiden. Dorothea folgte ihm in seine schottische Heimat, wo sie eine Familie gründeten: 1946 kommt Tochter Kirstine Ann in Glasgow zur Welt, 1947 Sohn Keith MacKinnon in Bratislava, 1951 die jüngste Tochter Alison Mary in Edinburgh.
Aufgrund der Tätigkeit ihres Ehemannes zog die Familie um die ganze Welt bis sie sich in den 60er Jahren im schottischen Edinburgh niedergelassen haben. Das war Dorotheas große Chance, endlich selbst einen Beruf zu erlernen und zu arbeiten: Mit über 40 begann sie, Sozialarbeit zu studieren, und war danach mehr als 20 Jahre in der Adoptionshilfe und im Opferschutz beschäftigt. Heute ist sie im Ruhestand.
Donald starb im Jahr 2006, Dorothea lebt noch immer in Edinburgh. Sie ist sehr aktiv, lernt Spanisch, besuchte Geschichtskurse an der Universität. Einmal im Jahr trifft Dorothea ihren Bruder Eugen Merzbacher, der in den USA wohnt, in ihrer gemeinsamen ersten Heimat Berlin.