Gastarbeiter:innen

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„Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen“

Jeder Mensch hat eine individuelle Lebensgeschichte. Jeder Mensch blickt auf die Welt vom eigenen Standpunkt heraus. So bilden sich unterschiedliche Perspektiven und Wahrnehmungen. Hierbei gibt es keine Wertung darüber, welche Position richtig oder falsch ist. Jedoch steht es in der Verantwortung der Gesellschaft, möglichst viele Perspektiven einzuholen und sich zu vergegenwärtigen, dass auf der Welt auch andere Menschen leben, die ebenfalls Rechte haben. Denn kein Mensch ist dem anderen gegenüber Unter- oder Überlegen. Daher heißt es auch im Artikel 1 des Grundgesetzes ohne jegliche Ausnahmen, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Die Rechte und Werte der Menschen wurden leider schon immer in der Geschichte und Gegenwart missachtet. Menschen wurden versklavt, als Objekte gesehen und ihnen wurden sogar ihre Rechte abgesprochen.

Auch Gastarbeiter:innen wurden oftmals als Menschen der niederen Klasse und sogar als „nur Arbeitskräfte“ angesehen, die nur für eine bestimmte Zeit nach Deutschland kommen und zum Aufbauen helfen sollten. Auch wenn die Gastarbeiter:innen in den 60er Jahren groß begrüßt worden sind und die Mehrheitsgesellschaft froh über die helfenden Hände war, nahm die Freude für die ansässig werdenden Gastarbeiter:innen mit der Zeit ab. Während die Verträge mancher Arbeitskräfte nicht mehr verlängert wurden, erschwerte sich auf der anderen Seite bspw. die Wohnungssuche für viele Gastarbeiter:innen, die weiterhin in Deutschland geblieben sind. Die Situation verschärfte sich besonders in den 80er Jahren mit der Ölpreiskrise, der vor der Tür stand und viele Menschen ihre Arbeitsplätze dadurch verloren. So fingen auch allmählich rassistische Stimmen an, laut zu werden, die die Meinung vertraten, dass die Gastarbeiter:innen in ihre Heimatländer zurückkehren sollen und diese Arbeitsplätze dadurch frei stehen können. Die Anfeindungen lösten bei jedem Menschen Unterschiedliches aus. Im Jahre 1982 trieben sie die 26-jährige Semra Ertan sogar so weit, dass sie sich in der Öffentlichkeit verbrannte.

Dieses Projekt soll die Geschichte der Gastarbeiter:innen mit all ihren Hoffnungen und Herausforderungen, in ein unbekanntes Land zu kommen, aufgreifen. Hierbei spielt die gegenseitige Empathie eine sehr wichtige Rolle. Menschen können zueinander nur emphatisch sein, wenn sie sich auch begegnen, kennenlernen und mit ihren Geschichten in Berührung kommen. Mit diesem Projekt haben wir die Intention, Einblicke in die Lebensrealitäten und Gefühle der Gastarbeiter:innen zu ermöglichen, als auch die Nachfolgegeneration der Gastarbeiter:innen mit der Mehrheitsgesellschaft zusammenzubringen. Dabei wird die Relevanz einer offenen und wertschätzenden Gesellschaft hervorgehoben, die zur besseren Realisierung der Menschenrechtsbildung aktiv beiträgt.

Sich in einem Land wohl zu fühlen, hat viel mit gegenseitigem Vertrauen, Achtung, Wertschätzung und Respekt zu tun. Jede Gesellschaft birgt Menschen mit guten und bösen Absichten in sich. Wichtig ist dabei auch in prekären Situationen den Mut zu haben, sich für andere einzusetzen. Denn auf eigene Rechte zu beharren und diese einzufordern, mag leicht sein. Die Rechte des Anderen jedoch vor Augen zu halten und bei Bedarf Courage zu zeigen, macht den starken Charakter aus und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Genau diese Möglichkeit möchten wir mit unserem Projekt „Gastarbeiter:innen“ ermöglichen. Auch wenn es „Gastarbeiter:innen“ so nicht mehr gibt, sind deren Kinder und Enkelkinder immer noch Teil dieser Gesellschaft.
Die Nachfolgegeneration der Gastarbeiter:innen hat z. T. noch mit unterschiedlichen Problemen zu ringen. Dabei sind u.a. Probleme wie Identitätsbildung, Anerkennung, Sprachbildung und Zugehörigkeit zu erwähnen.
Mit Fragen wie „Woher kommst du eigentlich her?“ wurden fast alle Migrant:innenkinder begegnet, obwohl viele von ihnen in Deutschland geboren worden sind. Auch wenn diese Frage zunächst harmlos erscheint, kann diese Frage der jeweiligen Person die Nachricht „du bist nicht von uns“ vermitteln. Damit auch gewisse Sensibilitäten in dieser Hinsicht entstehen können, ist es uns wichtig, dass Menschen sich auf Augenhöhe begegnen und versuchen, ihr Gegenüber zu verstehen.
In diesem Rahmen möchten wir verschiedene Veranstaltungen, darunter Buch- und Filmvorstellungen, Vorträge und Podiumsdiskussionen anbieten. Zusätzlich möchten wir Interviews mit Gastarbeiter:innen und ihren Nachfolgegenerationen führen, die wir anschließend in einer Ausstellung präsentieren können.

Wir leben in einer Welt, in der Menschen leider sehr schnell aufgrund von gegebenen Differenzen diskriminiert und ausgeschlossen werden. Damit eine friedvolle Gesellschaft aufgebaut werden kann, müssen die unsichtbaren Grenzen zwischen Menschen aufgelöst werden. Nur dann kann die Integration auch wirklich gelingen. 

Somit möchten wir mit unserem Projekt einerseits die Erinnerungskultur der Gastarbeiter:innen vergegenwärtigen und andererseits die Bereicherung der Diversität in der Gesellschaft hervorheben und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgen.

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